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(24.-30.10.2007) Date: Thursday, November 01, 2007 13:21 PM "Die Geisteswissenschaften in den deutschsprachigen Feuilletons" ist eine wöchentliche Presseschau, die der Perlentaucher in Kooperation mit dem Wissenschaftsjahr 2007 "Die Geisteswissenschaften. ABC der Menscheit" herausgibt. H-Germanistik veröffentlicht als Medienpartner der Initiative eine Auswahl der Beiträge für den Bereich der Literaturwissenschaften. Weitere Perlen aus den Feuilletons finden Sie auf der Website "ABC der Menscheit" http://www.abc-der-menschheit.de/ Im Blickpunkt Das Massaker von Rechnitz und die Historiker Die von David Litchfields umstrittenem Artikel in der FAZ ausgelöste Debatte über das Massaker von Rechnitz, bei dem 180 jüdische Zwangsarbeiter ermordet wurden, hat in der letzten Woche weitere Zeithistoriker auf den Plan gerufen - und weitet sich zur Diskussion über die Historiografie nationalsozialistischer Verbrechen. In der NZZ fasst Paul Jandl die Reaktionen österreichischer Historiker zusammen: "Während den Historikern der schon bisher gut erforschte Fall nicht neu ist, haben sich die Zweifel an der Seriosität des Artikels zum Unisono gesteigert. Wenn jemand seine Quellen so wenig offenlege wie Litchfield, sei höchste Vorsicht geboten, sagt der Salzburger Zeitgeschichtler Ernst Hanisch." In der Süddeutschen findet es der Zeithistoriker Stefan Klemp nicht sonderlich interessant, ob und wie nun die Thyssen-Gräfin Batthyany beteiligt war - für den Historiker sei ganz anderes bedeutsam: "Viel interessanter aber als die mögliche Beteiligung einer deutschen Erbin ist die Frage, was aus den Tätern wurde. [...] SS-Sturmscharführer Franz Podezin, der mutmaßliche Haupttäter beim 'Massaker von Rechnitz', arbeitete nach 1945 nicht nur als Agent der Westalliierten in der DDR. Westdeutsche Strafverfolgungsbehörden ermöglichten dem SS-Führer auch die Flucht aus Deutschland. Der Fall zeigt vor allem, dass die Geschichte des Bundeskriminalamts dringend aufgearbeitet werden muss." Einen anderen Aspekt betont in der taz Robert Misik: "Das Bedürfnis, einen grotesk übertriebenen Anteil der Schuld auf eine deutsche Großbürgerstochter zu schieben, die sich in ungarisches Grafengeschlecht hochgeheiratet hat, ist unter Österreichs antifaschistischen Historikern nicht extrem stark ausgeprägt - schließlich war es ja die Raison d'etre der Nachkriegsrepublik, dass 'die Deutschen' schuld waren." NZZ, 24.10. http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/der_ort_des_schweigens_1.573854 .html SZ, 25.10. taz, 30.10. http://www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2007%2F10%2F30 %2Fa0122&src=GI&cHash=ca77d205e5 David Litchfields Artikel: http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E80C3B48CF95148 2AA8E0C6CFD7D2341A~ATpl~Ecommon~Scontent.html Rezensionen und Bücher Außerordentlich lehrreich findet Lucian Hölscher in der SZ Helmut Zanders große zweibändige Geschichte der "Anthroposophie in Deutschland" - um eine wissenschaftliche Pionierleistung handle es sich überdies: "Das Werk ersetzt und fasst eine ganze Bibliothek verstreut vorliegender Literatur zusammen. Gleichwohl bewahrt es in seiner weit ausgreifenden Gründlichkeit die Haltung des Kartographen, der die Dinge lieber an ihren rechten Platz rücken, als sie abschließend beschreiben und bewerten will: Geschichte der Theosophie und intellektuelle Biographie Rudolf Steiners, Religionssystem und Wissenschaftsverständnis, Freimaurerei und politisches Engagement, Eurythmie und anthroposophische Architektur, Waldorfpädagogik, Medizin und Landwirtschaft - man liest ein solches Werk am besten passagenweise." SZ, 25.10. Stefan Rebenich hat zwei Bücher des Kirchenhistorikers Christoph Markschies gelesen, die sich mit der Institutionen-Frühgeschichte des Christentums befassen und stellt in der NZZ fest: "Markschies erbringt den Nachweis, dass die Institutionalisierung der antiken christlichen Theologie die Pluralisierung des antiken Christentums zur Folge hatte. Erst der spätantike und mittelalterliche Diskurs über die eigene Lehre entwickelte das anachronistische Modell von der Priorität der Orthodoxie und deren nachträglicher Verfälschung durch die Häresie." NZZ, 24.10. Tagungen und Konferenzen Textkultur und Lebenspraxis In Freiburg zog die Forschergruppe "Textkultur und Lebenspraxis" Bilanz ihrer Arbeit - Thomas Thiel berichtet in der FAZ von der Tagung, die Indologen, Japanologen, Historiker und weitere Wissenschaftler verschiedener Disziplinen versammelte: "Die Forschergruppe 'Textkultur und Lebenspraxis', deren leitender Geist der Freiburger Historiker Wolfgang Reinhard ist, zog jetzt auf einer Freiburger Tagung Bilanz ihrer Bemühungen. Das Abendland, das Reinhard nicht mehr unter dem Baldachin des Christentums versammelt sieht, nahm man zum Ausgangspunkt der Untersuchungen - schon deshalb, weil die Europäer, so Reinhard, den größten Eifer in das Verstehen fremder Kulturen setzten. Nicht selten lief dieser Eifer auf ein Missverstehen und Subsumieren hinaus: Gottfried Wilhelm Leibniz 'gelang' es etwa, die Grundkategorien des Konfuzianismus so in die eigene Terminologie zu übersetzen, dass sie ihm die eigene Geist-Materie-Theorie bestätigten." FAZ, 27.10. Figur des Märtyrers Am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin befasste sich eine Tagung in historischer und aktueller Perspektive mit der Figur des Märtyrers. In der NZZ bringt Sieglinde Geisel die Tagung so auf den Punkt: "Ohne Sprache gibt es keine Märtyrer, so lässt sich als Essenz der Konferenz festhalten. 'Durch die magische Kraft des Wortes' würden die jungen Männer in islamischen Ländern dazu bewogen, sich zu opfern, stellte die Arabistin Angelika Neuwirth fest, die in der arabischen Sprache eine 'Resakralisierung' beobachtet. In der Gestalt der jungen, virilen Selbstmordattentäter kehre eine Inkarnation Gottes wieder, die in einer Umdeutung des 'rite de passage' der Hochzeit auch als 'Bräutigam' bezeichnet werde." NZZ, 30.10. http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/blutige_zeugen_1.576827.html Der Mensch ist Mensch nur durch Sprache Für die Süddeutsche Zeitung informiert Burkhard Müller über eine Tagung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die sich Wilhelm von Humboldts Satz "Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache" widmete. Es wurde viel über das Verhältnis von Sprache und Bild diskutiert, stellt Müller fest: "Je länger die Veranstaltung währte, desto mehr glaubte man einem Turnier von Sprache und Bild beizuwohnen, das sich dann zugunsten der Sprache neigte. Das Bild wurde in seinen Trutzburgen aufgesucht und belagert. Über die neuen bildgebenden Verfahren in der Medizin sprach Sabine Marienberg und ließ keinen Zweifel daran, dass sie nur der sprachlich strukturierenden Diagnose zuarbeiten." SZ, 30.10. ------------------------------------------------------------------------ Die Geisteswissenschaften in den deutschsprachigen Feuilletons. Eine Kooperation von Perlentaucher, H-Germanistik und dem Jahr der Geisteswissenschaften. Redaktionsbüro Jahr der Geisteswissenschaften Quartier 207 / Friedrichstraße 78 10117 Berlin Telefon: 030 / 700186-740 Fax: 030 / 700186-710 Homepage http://www.abc-der-menschheit.de/ __________________________________________________________ H-GERMANISTIK Netzwerk für literaturwissenschaftlichen Wissenstransfer Humanities-Network for German Literature and Philology mail: redaktion@h-germanistik.de www: http://www.h-germanistik.de Beiträge/contributions: h-germanistik@h-net.msu.edu ___________________________________________________________
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